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Compliance-Programme in spanischen höchstrichterlichen Urteilen
Julia Suderow
Partnerin 3C Compliance
May 02, 2016
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Compliance-Programme in spanischen höchstrichterlichen Urteilen

Die Strafkammer des spanischen Bundesgerichtshofs hat sich am 29. Februar 2016 zum ersten Mal über die durch die spanische Strafrechtsreform eingeführte Strafbarkeit von juristischen Personen gemäss Art. 31 bis 1a und b Código Penal geäussert. Nur 16 Tage später, am 16. März 2016, folgte die zweite Entscheidung.


In der Entscheidung vom 16. März 2016 (Fallnummer 221/2016, Berichterstatter Marchena Gómez), stellte der spanische BGH fest, dass die Verurteilung von juristischen Personen zu Geldstrafen, Auflösung der Gesellschaft, Einstellung der Tätigkeit und dauerhafter Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit, Aussetzung, Schließung der Räumlichkeiten und Einrichtungen sowie gerichtliche Intervention die gleiche Anstrengung an die Staatsanwaltschaft bezüglich der Beweislast abverlangt, um den Ursprung einer Strafe zu rechtfertigen, als wenn es sich um eine natürliche Person handelt.


Die Rechtsmittelführerin, ein spanisches Unternehmen, das sich dem Immobiliengeschäft widmet, wurde vom Landgericht von Cáceres als Urheberin einer Straftat verurteilt, eine Geldstrafe von 24.000 Euro zu zahlen, und es wurde die vorübergehende Schließung des Büros angeordent, welches das Unternehmen sechs Monate lang in Betrieb hatte.


Im selben Urteil werden für die oben genannte Straftat der Eigentümer einer Immobilie sowie eine andere Person zu mehr als zwei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Bei der Straftat handelt es sich um die Einbehaltung einer doppelten Kommission von Käufer und Verkäufer einer Immobilie, wovon beide Seiten nichts wussten. Die Gefägnisstrafe ist nun auf ein Jahr reduziert.


Die verurteilte Gesellschaft trägt in der Berufung ihre angebliche Hilflosigkeit vor, weil sie in dem Fall nicht formell angeklagt war. Lediglich durch die vorläufigen Feststellungen der Staatsanwaltschaft wurde sie über ihre Teilnahme am Verfahren informiert und ihr gesetzlicher Vertreter, welcher einer der beiden weiteren Angeklagten ist, wurde während des Strafverfahrems nicht als gesetzlicher Vertreter des Unternehmens gehört.


In seinem zweiten Urteil über die strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen heißt es in der Strafkammer, dass die Haftung für juristische Personen nicht einfach dadurch hergeleitet werden kann, dass eine natürliche Person eine Straftat begannen hat. Denn ein Unternehmen kann nicht für alle von natürlichen Personen begangenen Straftaten, die in Ausübung seiner gesellschaftlichen Aktivitäten erfolgen und gemäss 31 bis 1 b Codigo Penal einen unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil für natürliche Personen darstellen, haften.


Folglich können juristische Personen nur haften, wenn die Tat von untergeordneten Personen begangen wird und diese nur begehen konnte, weil die Vorgesetzten Kontroll- und Überwachungspflichten schwerwiegend verletzt haben und die Straftat bei Ausübung von durch die Gesellschaft veranlassten Tätigkeiten oder direkt oder indirekt auf deren Rechnung oder zu ihren direkten oder indirekten Gunsten erfolgte.


Das Urteil besagt auch, dass die Staatsanwaltschaft das Nichtvorliegen dieser Überwachungspflichten und die schwerwiegende Verletzung beweisen muss. Am Ende wird das Unternehmen auf Grund formaler Mängel freigesprochen.


Die Richter beziehen sich auf das Sondervotum im Urteil vom 29. Februar. In diesem wird immerhin von sieben der 15 Richter die Implementierung von effektiven Mechanismen zur Vorbeugung von Risiken in der unternehmerischen Tätigkeit gefordert.

 

Die Schlussfolgerung für die spanische Juristen ist eindeutig: Die Compliance-Programme sind auf der iberischen Halbinsel angekommen.